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["reproduit dans Van Dijk e.a. Writing the history of women s writing (Amsterdam 2001)\n\nDrei junge Lenzesrosen standen\nAn einem Stamm zu duften da, \nSie wurden mehr und mehr bewundert\nVon jedem, der sie blühen sah. \n\nMit Neid im Garten jede Blume \nDie kaum erblühten Schwestern sah,\nSowohl das nied're Tausendschönchen,\nWie die erhab'ne Dahlia. \n\nDie älteste der Lenzesrosen, \nDie meistbewunderte der Drei, \nStand als die Königin der Blumen\nInmitten da der andern Zwei. \n\nDas hohe Tragen ihrer Krone \nVerrieth den Stolz, der in ihr wach,\nBethöret hatten sie die Schmeichler \nUnd so sie zu den Schwestern sprach: \n\n'Behagt Euch unser Loos, ihr Lieben,\nWollt Ihr hier stets im Garten steh'n \nUnd zwischen Blättern, zwischen Dornen\nEuch wiegen bei des Windes Weh'n? \n\n'Der Bäume Seufzen immer hören, \nUnd plötzlich dem Orkan zum Raub\nGewirbelt werden in die Lüfte, \nUnd dann zerstreuet in den Staub? \n\n'Ich will von hinnen, meine Schwestern,\nIch will noch heut bei Fackelglanz \nEin Mädchen auf dem Balle schmücken\nUnd mit ihm fliegen durch den Tanz.' \n\nDie jüngste Schwester schwieg und seufzte,\nDie zweite sprach: 'mein Schwesterlein,\nAuch ich will fort aus diesem Garten,\nMein Grab soll auf dem Altar sein.' \n\nDie jüngste, zarteste der Rosen \nSprach nun die leisen Worte aus: \n'Hier, wo das Licht mir ward gegeben,\nHier hauch'ich auch mein Leben aus. \n\n'Ich bleib'auf meiner Mutter Grabe, \nSo wild mich auch umbraust der Wind,\nSo traurig auch die Bäume seufzen \nHier stirbt lieb Mutters letztes Kind.'\n\nUnd Abend ward's. Im reichen Saale \nDa war ein Mädchen schlank und schön,\nDas trug im Haar die ält'ste Rose\nBei Fackelglanz und Festgetön. \n\nUnd Morgen ward's. Ein Gottesopfer\nLag auf dem Altar heilig hehr \nDie zweite Rose lieblich duftend - \nDie ält'ste Schwester war nicht mehr. \n\nUnd wieder sank der Abend nieder, \nUnd wieder kam der Tag voll Glanz,\nDa hing die zweite Rose sterbend\nIm abgeblühten Blumenkranz. \n\nDie unbefleckten Blätter streute\nSie auf den Altar still herab. \nDoch blühend stand die jüngste Rose\nNoch duftend auf der Mutter Grab. \n\nFrom: Von der Schelde bis zur Maas. Das geistige Leben der Vlamingen seit dem \nWiederaufbluhen der Literatur. Leipzig/Brussels, 1861, vol.1, p.126-128."]
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